Grosse Umlaufräder einer Seilbahn stehen vor der Produktionshalle der Garaventa AG Grosse Umlaufräder einer Seilbahn stehen vor der Produktionshalle der Garaventa AG Grosse Umlaufräder einer Seilbahn stehen vor der Produktionshalle der Garaventa AG

Hoch hinaus

Publiziert
November 2023
Themen
Firmenporträt Fokus 02/2023

Seit über 100 Jahren baut Garaventa Seilbahnen auf der ganzen Welt. Bei einem Rundgang durch den Betrieb erklärt CEO Arno Inauen, warum ihm die regionale Verankerung so wichtig ist – und weshalb er besonders im urbanen Raum noch grosses Potenzial sieht.

 

Arno Inauen erkannte schon früh die Vorzüge einer funktionierenden Seilbahn. Als Knabe verbrachte der heutige Garaventa-CEO regelmässig die Sommermonate bei seinem Firmgötti auf der Käsernalp im Ybrig. Inauen genoss die Wochen in der Natur stets, für den anstrengenden Aufstieg mit schwerem Gepäck galt dies weniger. Umso dankbarer war er jeweils, wenn die Materialbahn in Betrieb war und er zumindest seinen Rucksack auf diesem Weg auf die «Chäseren» schicken konnte. «Damals lernte ich den Wert einer funktionierenden Anlage zu schätzen», sagt Inauen und lacht. Dass er manchmal auch selber zustieg, sei an dieser Stelle am Rande und nur inoffiziell erwähnt.

Garaventa-CEO Arno Inauen betrachtet ein Modell eines Seilbahn-Mastens

Erkannte schon früh die Vorzüge einer Seilbahn: Arno Inauen.

Seither sind viele Jahre vergangenen, doch Seilbahnen spielen in Inauens Leben auch heute noch eine grosse Rolle. Nachdem der Maschinenbauingenieur (ETH) während zwanzig Jahren zusammen mit seinem Bruder den Glarner Seilbahnhersteller Inauen-Schätti geführt hatte, wurde er 2014 als operativer Leiter in die Geschäftsleitung von Garaventa berufen. Seit 2018 führt er das Unternehmen als CEO. Dass der 55-Jährige den Job noch immer mit Begeisterung ausübt, spürt man besonders dann, wenn Inauen durch den Betrieb führt. Während in den Büros Ingenieure neue Seilbahnen planen, werden nebenan im Produktionswerk grosse Seilscheiben, Seilbahnklemmen und Laufwerke bearbeitet. Inauen kennt alle seine Mitarbeitenden, hebt ständig die Hand zum Gruss, hält da und dort einen kurzen Schwatz. 

Er ist nicht «nur» Manager, sondern bringt sich auch selber aktiv in den Betrieb ein. «Kaum etwas bereitet mir mehr Freude, als zusammen mit unseren engagierten Mitarbeitern innovative Lösungen zu entwickeln.»

Ein Mitarbeiter arbeitet auf einem Träger einer Laufseilbahn, im Hintergrund der Berg

Grosses Potenzial im urbanen Raum

Die alpinen Seilbahnen machen mit rund sechzig Prozent nach wie vor den grössten Teil des Geschäfts von Garaventa aus. Das grösste Wachstumspotenzial sieht der CEO jedoch bei Ausflugsseilbahnen und urbanen Seilbahnsystemen. «Wo konventionelle Beförderungsarten an ihre Grenzen stossen, erweitern Seilbahnen sie.» Beispiele dafür gibt es schon einige – und das nicht zuletzt dank Garaventa. Das beeindruckendste Projekt realisierte die Doppelmayr Gruppe, zu der Garaventa seit 2002 gehört, in Boliviens Hauptstadt La Paz. Mit zehn Linien, einer Gesamtlänge von über dreissig Kilometern und täglich rund 300 000 Fahrgästen findet sich dort das weltweit grösste städtische Seilbahnnetz. Längst haben auch andere südamerikanische Metropolen die Vorzüge solcher Seilbahnen erkannt.

Der Garaventa-CEO hat keinen Zweifel daran, dass Seilbahnen im urbanen Raum auch in Europa zunehmend zum Thema werden. «Darüber gesprochen wird schon lange, nur mit der Umsetzung hat es bis jetzt noch nicht geklappt.» Aktuell befänden sich aber diverse Projekte in der Pipeline. So soll zum Beispiel bis 2025 nordöstlich des Flughafens Paris-Orly eine viereinhalb Kilometer lange Anlage entstehen. Und selbst in der Schweiz könnten solche Systeme kommen, glaubt Inauen. Dies nicht zuletzt aufgrund des wachsenden Verkehrsdrucks in den urbanen Zentren. «In Lugano ist die Standseilbahn schon heute das schnellste Mittel, um den Bahnhof zu erreichen, und das Funiculaire von Freiburg verbindet seit 1899 das Stadtzentrum mit der Unterstadt.» Arno Inauen sieht Seilbahnen nicht als Lösung aller (Verkehrs-)Probleme, sondern als Ergänzung, die sich ideal in die unterschiedlichsten Umgebungen einfügen lassen.

 

Starke regionale Verankerung

Obwohl Garaventa in der ganzen Welt tätig ist, hat Inauen nicht vergessen, wo sein Unternehmen und er herkommen. Im Gegenteil: «Wir sind fest in der Innerschweiz verankert – und das werden wir auch bleiben.» Auch bei der Fusion mit Doppelmayr stand ein Standortwechsel nie zur Diskussion. Der Chef betont mit Stolz, dass auch heute noch – nach bald 100 Jahren – der grösste Teil der Goldauer Belegschaft aus dem Kanton Schwyz oder der näheren Umgebung komme. Genau gleich sei es auch in der zweiten grossen Niederlassung in Uetendorf im Berner Oberland. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, investiert das Unternehmen viel in die Ausbildung junger Berufsleute. «Wir brauchen nicht nur hoch qualifizierte Leute, sondern auch gute Handwerker», so Inauen. Gut zehn Prozent der rund 380 Mitarbeitenden sind Lernende; in Zukunft sollen es noch mehr werden.

Jetzt kommen die autonomen Seilbahnen

Im Wettbewerb um die jungen Berufsleute zeigt sich Garaventa innovativ: «Alle Lernenden erhalten ein Seilbahn-GA für die ganze Schweiz.» Dadurch erhalten sie die Gelegenheit, Leuchtturmprojekte ihres Betriebs zu erleben – dazu gehören auch Zentralschweizer Anlagen wie die Stoos- und die Pilatusbahn oder die Stanser Cabriobahn. Seilbahnen aus dem Hause Garaventa geben aber nicht nur optisch etwas her, sie sind auch technologisch auf dem neusten Stand. 2021 nahm Garaventa in Zermatt die erste autonome Seilbahn in Betrieb, die ganz ohne Personal auskommt. Der Ein- und Ausstieg der Passagiere wird digital überwacht, lediglich ein Seilbahnmitarbeiter hat die Anlage von der Zwischenstation aus im Blick. «Das Modell ist wegweisend für die Zukunft der seilgezogenen Mobilität», betont Inauen. «Je grösser der Kosten- und Personaldruck in den Skigebieten, desto stärker das Bedürfnis nach innovativen Lösungen wie diesen.» Weitere autonome Seilbahnen sind denn auch bereits in Planung oder werden schon umgesetzt.

Übrigens: Selbstverständlich testet der Garaventa- CEO «seine» neuen Seilbahnen jeweils selbst. Genauso sehr liebt er es jedoch, die Berglandschaften zu Fuss zu erkunden. «Als engagierter Skifahrer nutze ich die Seilbahnen vor allem im Winter.» Und das steht hier nun ganz offiziell.

 

Auf dem Hoch-Ybrig entsteht eine Weltneuheit

Mit der sogenannten TRI-Line läutet Garaventa im Hoch-Ybrig eine neue Ära im Bereich der Seilbahnen ein. Das Dreiseilsystem ersetzt die alte Pendelbahn aus dem Jahre 1969. Die Entwicklung basiert auf einem neuen Konstruktionsansatz des Seilbahnlaufwerks, das besonders wartungs- und umweltfreundlich ist, ohne dabei jedoch an Effizienz zu verlieren. Zudem bringt das neue System eine besonders hohe Windstabilität mit sich, wie Garaventa-CEO Arno Inauen betont.

Mit der neuen Bahn steigt die stündliche Transportkapazität auf dem Hoch-
Ybrig von 1100 auf rund 1600 Personen. Die neue Bahn kostet rund 22 Millionen Franken und soll 2025 in Betrieb gehen.