Wann ist welche KMU-Finanzierung sinnvoll?

Autor
Philipp Betschart
Philipp Betschart
Leiter Produktmanagement Finanzieren
Publiziert
Januar 2020
Themen
Finanzierungsformen Geschäftsmodell

Nicht zuletzt dank der Digitalisierung gibt es immer mehr Varianten der Fremdfinanzierung. Dazu gehört auch eine wachsende Zahl an hybriden Modellen, welche die Vorzüge verschiedener Finanzierungsformen kombinieren. In jedem Fall gilt: Die Wahl der passenden KMU-Finanzierung sollte sorgfältig und vorausschauend getroffen werden.

 

Grundsätzlich wird auch heute noch klassisch zwischen Innenfinanzierung und Aussenfinanzierung der Unternehmung unterschieden. Was von innen an Kapitalien kommt, besteht mehrheitlich aus Gewinnrückbehalten oder einer Finanzierung über Abschreibungen bzw. Rückstellungen.

Obschon sich fast zwei Drittel der Schweizer KMU ausschliesslich über Eigenkapital finanzieren, gibt es nach wie vor viele Situationen, in denen der Kredit gegenüber der Innenfinanzierung von Vorteil ist. Im gegenwärtigen Wirtschaftsumfeld, wo Liquidität oftmals mehr Bürde als Segen ist, wägen die KMU ihre Fremdfinanzierungen meist noch bewusster ab als früher. Wird einer Unternehmung Kapital von aussen zur Verfügung gestellt, so geschieht dies über einen Kredit (meistens via Bank), eine Beteiligung oder eine Kombination dieser beiden Formen. Diese Mischformen werden unter Mezzanine-Kapital subsumiert. Als spezielle Finanzierung der Unternehmung gelten zusätzlich das Leasing - die Benutzung eines Gebrauchsgutes ohne dessen Besitz gegen Entgelt - sowie das Factoring - die Abtretung von Forderungen zu deren Liquidierung.

Soweit die klassisch-theoretische Unterteilung der Unternehmensfinanzierungen. Finanzierungen lassen sich aber mittlerweile auch online abwickeln, was wiederum neue Möglichkeiten eröffnet. Nicht in der grundsätzlichen Funktionalität, jedoch in deren Verfügbarkeit und Realisierbarkeit. Jede Entwicklungsstufe des Unternehmens bedarf derweil verschiedener Finanzierungsformen.

 

Lebenszyklus der Unternehmung entscheidend

Einen wesentlichen Einfluss auf die Finanzierung hat naturgemäss die jeweilige Lebensphase einer Unternehmung. Ein Start-up ersucht anfangs tendenziell bei Stiftungen sowie «Business Angels» um Finanzierungsmöglichkeiten oder geht über die «Crowd» mit dem entsprechenden Risikoaufschlag bei den Konditionen. Eine Bankfinanzierung auf Blankobasis ohne ein bewiesenes Geschäftsmodell ist in den wenigsten Fällen wahrscheinlich. Allenfalls lassen sich über Bürgschaften, etwa in der Familie oder im Bekanntenkreis, und weitere Eventualverpflichtungen Finanzierungen realisieren, die ein Unternehmen mit einem Kapitalpuffer durch dessen erste Finanzierungsphase («Seed-Phase») tragen.

Hat die Unternehmung diese erste Phase abgeschlossen und ist auf dem Weg zur Etablierung, so eröffnen sich nach und nach breitere Möglichkeiten der Finanzierung. Sowohl bei der Finanzierung von innen als auch von aussen. Unter Umständen sind bereits Vermögenswerte als Deckungen gegenüber Dritten - etwa Grund- oder Faustpfänder - verfügbar, welche sich bei der Strukturierung hinzuziehen lassen und neben einem tragenden Geldfluss schlagkräftige Machbarkeitsargumente darstellen. Bis hin zur Reifestufe des Unternehmens, wenn Investitionsvorhaben und Projektfinanzierungen zur Revitalisierung bzw. weiteren Expansion des Unternehmens anstehen.

Eine vollends etablierte Unternehmung endet nicht mit dem Ausscheiden des Inhabers. Wohl aber ändert im Nachfolgeprozess oft die zugrundeliegende Finanzierung. Werden eventuell die Vermögenswerte separiert - beispielsweise die Gewinne ausbezahlt oder Betriebsliegenschaften in Privatliegenschaften umgewandelt - so ändert damit die Finanzierungsstruktur gleichermassen. Die zahlreichen Ansprüche, welche aus der Nachfolge erwachsen, sind frühzeitig und bisweilen unter Einbezug von Spezialisten zu entwickeln.

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Sorgfältige, vorausschauende Analyse wesentlich 

Wie bereits erwähnt: Eine ganzheitliche Betrachtung der Finanzierungsformen ist für KMU von eminenter Wichtigkeit. Unabhängig davon, ob es um Neuprojekte oder Ersatzinvestitionen geht - die Finanzierung ist stets in das gesamte Umfeld einzupassen. Die Erfahrung zeigt, dass diesem Aspekt zu wenig Beachtung geschenkt wird und unternehmensinterne Finanzierungsanalysen oftmals losgelöst von Umweltfaktoren erfolgen. Beispielsweise ist die Risikoabsicherung bei Aufsetzung der Finanzierung bedeutend und wird doch zu oft vernachlässigt. Die nachhaltige Sicht zählt; das heutige Finanzierungskonstrukt einer Unternehmung korrespondiert in den wenigsten Fällen mit jenem in einigen Jahren - diese Entwicklung ist in der Ausgestaltung und konsequenterweise auch der Produktwahl bestmöglich zu antizipieren.

Für die Bank ist das Geschäftsmodell bedeutsam, welches der Finanzierung letztendlich zu Grunde liegt. Nicht zuletzt bedingt durch erhöhte regulatorische Anforderungen wird die quantitative Prüfung durch die Bank immer wichtiger. Deshalb sind gehaltvolle Dokumentationen, wie etwa ein professioneller Businessplan - gerade in Risikobranchen - von enormem Vorteil, um an attraktive Zinsen zu gelangen.

Selbst wenn der durch die Zinssituation verstärkte Wettbewerb unter den Kreditgebern die Konditionen kundenseitig günstig beeinflusst, so ist deren Risikoappetit für gewisse Geschäfte nicht immer gegeben. Gerade bei den Immobilienkrediten ist mittlerweile eine Zurückhaltung erkennbar, da gewisse KMU auf den Zug aufspringen wollen und vermeintliche Schnäppchen erwerben, welche den regulatorischen Anforderungen widersprechen. Schnellschüsse im Immobilienerwerb sind ohnehin nicht empfehlenswert - diese verlangen in der Regel nach einer klaren Strategie.

 

Alternative Finanzierung

In den letzten Jahren haben sich vermehrt Finanzierungsformen ausgebildet, welche über die «Crowd» - also die virtuelle Zusammenführung von Kreditgebern und -nehmern - laufen. Diese bewegen sich je nach Ausgestaltung auf dem gesamten Spektrum von der Kredit- bis zur Beteiligungsfinanzierung. Beispielsweise sind beim Crowddonating die Beiträge faktisch als Spende zu betrachten, während beim Crowdlending eine klassische Kreditierung in digitaler Form erfolgt. Dies spielt sich für KMU - verglichen mit dem Bankkredit - tendenziell in tieferen Volumina und mit einem höheren Zins, bedingt durch die konvexe Risikoprämie, ab.

Die bereits angesprochene Form einer Mezzanine-Finanzierung - die Mischung der Kredit- mit der Beteiligungsfinanzierung - erfreut sich steigender Beliebtheit und kann die jeweiligen Vorteile vereinen. Die Strukturierung ist variabel und individuell auf das zugrundeliegende Anliegen adaptierbar, indem sich der Kreditgeber bis zu einer gewissen Belehnungshöhe involviert und das Mischkapital die Lücke bis zum Eigenkapital schliesst. Finanzierungen über «Private Debt» als weitere alternative Form kommen aus dem angelsächsischen Raum und etablieren sich derzeit mit etwas Verzögerung auch in der Schweiz. Gemeint sind damit nicht öffentlich gehandelte Schulden, welche Fonds, Pensionskassen, Versicherer oder «Family Offices» vergeben.

Generell empfiehlt es sich für kleine und mittlere Unternehmen, die eingängige Prüfung vor der Wahl der Finanzierungsform vorzunehmen. Fällt die Wahl auf eine Bankfinanzierung, zahlt sich die transparente und ausführliche Kommunikation aus.

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